Politik und Rundfunk legen fest: Dank Corona schalten die Deutschen wieder ein – und zwar bei ARD und ZDF. Die Sender freuen sich über Zuspruch, Zuschauer und bald auch wieder über mehr Zaster. Ein Land versammelt sich vor der Glotze: Ist das wahr oder bloß Wunschdenken, was solange gepredigt wird, bis es alle für wahr halten?

ARD und ZDF fehlen wieder ein paar Milliarden in der Kasse, also dürfen wir wieder mehr zahlen. Die Ministerpräsidenten haben das Plus beim Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2021 beschlossen, das wäre geklärt. Nun kommt noch das notwendige Übel: Wie erklären wir das den Bürgern? Richtig: mit Corona. Natürlich kann das Virus nichts für das schwarze Loch in den Senderkassen, aber die Deutschen bekommen dank Quarantäne doch einen Lagerkoller, oder? Also schauen die bestimmt den ganzen Tag ARD und ZDF, oder? Was soll man zuhause denn sonst tun? Und wer mehr einschaltet, der zahlt auch gerne mehr – Basta!
Das klingt nach einer Milchmädchenrechnung. Politiker sind aber weder für ihr Schamgefühl bekannt noch die Tatsache, besonders wählerisch zu sein. Knapp 2.000 Abgeordnete dürfen jetzt die Erhöhung in den Landtagen absegnen. Sie suchen also händeringend nach Gründen: Warum, ja warum bloß, ist es eine Spitzenidee, den teuersten Rundfunk der Welt wieder teurer zu machen? Hier kommt sie, die fadenscheinige Begründung, sie wird auf dem Silbertablett serviert. Greift zu!
Corona-Wochen: Winterspeck für Rundfunk und Politik
Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, sagt: »Wie akzeptiert der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist, hat sich einmal mehr seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich gezeigt. Die Medienangebote in ihrer gesamten Vielfalt sind gefragter denn je«
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagt, dass die Rundfunkanstalten »mit ihrem breiten Informationsangebot eine Schlüsselrolle in der Pandemie-Bewältigung« einnehmen
Viele haben zugegriffen, vieles davon liest sich seltsam gleichförmig und inhaltsleer. Interessanter finde ich deshalb einen Blick auf ARD und ZDF. Sie reichen der Politik mundgerechte Häppchen – Umfragen, die erzählen, wie wichtig ARD und ZDF dank Corona wieder sind. Der Rundfunk kann von seinen hausgemachten und ungelösten Strukturproblemen ablenken, er muss keine Antworten mehr liefern. Wunderbar, alles bleibt beim Alten.
Apropos Zukunft: Wir zahlen auf ewig mehr, weil es 2020 ein paar Corona-Wochen gab. Warum schlägt denn keiner der Politik diesen Blödsinn um die Ohren? Wir brauchen also den Lockdown, einen von oben verordneten Stillstand des Lebens, damit die Öffentlich-Rechtlichen wieder in eigener Sache überzeugen wollen. Das heißt: Im Normalzustand können sie es schon lange nicht mehr. Sagt mir: Was hat all das mit Geld zu tun, das wieder fehlt?
Kollateralschäden
Es gibt die Jubel-Umfragen von ARD und ZDF. Es gibt aber auch wissenschaftliche Studien während der Corona-Krise. Bemerkenswert finde ich eine Befragung der Universität München, nach der gerade einmal 17 Prozent mit der »Orientierungsfunktion der Medien« zufrieden waren. Nach dem »Reuters Institute Digital News Report« glauben nur noch 45 Prozent der Deutschen überwiegend dem, was sie in den Nachrichten sehen, lesen und hören.
Fast alle Medien, auch die Sendeanstalten, bekommen 2020 weniger Vertrauen geschenkt als vor einem Jahr. Lost in Corona – damit ließen sich Bücher füllen. Dabei interessiert die Menschen im Moment wohl eher: Was bleibt von Corona? Unter dem Strich bleiben ein paar Milliarden mehr für ARD und ZDF in der Kasse, für sie war es eine gute Krise. Gönnen wir es ihnen, schließlich schalten jetzt wieder alle ein. Wirklich?
Was bleibt von Corona?
Wer an die ARD denkt, denkt an die Tagesschau. Schauen wir uns also die Einschaltquoten vom 15. März 2020 an. Es war der Abend vor den Schul- und Kitaschließungen, die Menschen hatten den Ausnahmezustand vor Augen: 9,9 Millionen Zuschauer für die Tagesschau, 6,1 Millionen für Anne Will, 5,9 Millionen für heute beim ZDF. Vermutlich hätten an diesem Tag Millionen auch ein Standbild angestarrt, auf dem steht: »Bleiben Sie dran, wir wissen selbst noch nichts.« Was bleibt aber drei Monate später? Schauen wir auf den 18. Juni: 4,6 Millionen Zuschauer für die Tagesschau. Schauen wir auf den 19. Juni: 5 Millionen Zuschauer.

Am 19. Juni haben um 20 Uhr also 76 Millionen Menschen bei der Tagesschau nicht eingeschaltet, obwohl wir alle sie finanzieren müssen. Natürlich fließt bloß ein bescheidener Teil der Zwangsabgabe für ARD und ZDF in das Nachrichtenangebot. Gerade damit werden aber die neuen Milliarden begründet. Es bleibt eben eine steile These: Selbst die beste Information kostet viel, viel weniger als das, was der Rundfunk jetzt oben drauf bekommt.
Zahlen, bitte!
Damit sind wir schon beim Kostentreiber Unterhaltung: Auch dort verzeichnet die ARD einen enormen Zuschauerschwund. Vor Corona holte die Sportschau am Samstagabend im Schnitt fast 5 Millionen Zuschauer. Ende Mai waren es gerade noch 4,2 Millionen, »weit unter dem Durchschnitt«. Und Anne Will? Auch nur noch 4,2 Millionen Zuschauer am 9. Juni. Überhaupt geht der ARD bereits wieder die Puste aus: »Das Erste [fährt] den schwächsten Monatsmarktanteil seit letztem September ein. Dass es nach soliden 11,4 Prozent im Vormonat letztendlich nur zu 10,7 Prozent reichte, liegt nicht zuletzt daran, dass das Interesse an der Berichterstattung über Corona im Mai rückläufig ausfiel.«

Und wie geht es unserer Schatten-ARD, also dem nicht ganz so alten ZDF? Dort fährt Markus Lanz bescheidene Quoten ein, weit unter dem Corona-Rekord: Am 19. März waren es 2,2 Millionen, am 18. Juni schalteten nur 1,5 Millionen ein. Der Corona-Bonus schmilzt, auch beim heute journal, aber mit den Zahlen ist es jetzt genug.
Bitte zahlen!
Zurück zum Zahlen. Machen Sie doch einmal die Probe aufs Exempel. Fragen Sie Ihren Landtagsabgeordneten, warum der eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags prima findet. Die Chancen stehen gut, dass dann so etwas kommt: Corona, Corona, wir müssen doch auch an ARD und ZDF denken!
Sie dürfen dann kontern: Das erklären Sie mir jetzt bitte genauer. Weil die jetzt weniger Zuschauer haben, brauchen sie Milliarden mehr? Der Rundfunkbeitrag ist doch kein Corona-Konjunkturprogramm und auch keine Ausnahme-Abgabe. Das merken Jahr für Jahr Millionen Menschen, die deshalb vollstreckt werden.
Wer seinen Abgeordneten schwitzen sehen will, darf gerne das nachschieben: Wenn Sie für die Erhöhung stimmen, wissen Sie doch bestimmt, wofür diese zusätzlichen Milliarden benutzt werden. Verraten Sie es mir.