Der WDR hat alles im Programm, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auszeichnet. Der Sender zahlt üppige Pensionen und will mit Gemälden bei Sotheby's kassieren. Im »Herzen der ARD« klafft ein riesiges Finanzloch – und die Chefredakteurin Sonia Mikich sendet, was ihr »politisch und persönlich wichtig« ist.

»Sender, die solche Mätzchen machen, sind nicht mehr ernst zu nehmen! […] Diese Luder! Widerwärtig – von jetzt ab ist Kampf angesagt!«
Das liest sich zwar wie eine Hasstirade gegen den WDR und ist wohl auch so gemeint, stammt aber nicht von einem Zuschauer. Es ist Bazon Brock, der so aufgebracht wütet. Der bekannte Ästhetik-Professor und Kunsttheoretiker nimmt Pläne des Westdeutschen Rundfunks unter Beschuss, denn dort möchte Intendant Tom Buhrow die Kunstsammlung unter den Hammer bringen. Im nächsten Frühjahr heißt es in London bei Sotheby's: 3, 2 und deins. Allerdings soll nicht der gesamte Bestand von 600 Bildern nach und nach versteigert werden, geplant sind nur etwa 50 Werke und das bis Ende 2020.
Welche Schätze den Besitzer wechseln, verrät Buhrow noch nicht, doch es wird bereits eifrig spekuliert; Kenner taxieren einige Highlights der WDR-Sammlung im siebenstelligen Bereich. Der Westdeutsche Rundfunk hortet also Kunstwerke, die nicht insgesamt, sondern bereits pro Stück einen Erlös von mehr als einer Million Euro erzielen könnten! Das klingt nach Exzess, gehört aber offenbar zum Standardprogramm der ARD. Auch die anderen Sender horten ihre Kunstsammlungen. Hatten die Intendanten Lust auf Kultur entlang der verstaubten Archive und grauen Bürogänge, wurde eben Sammlerkunst eingekauft. Am Ende zahlten es Zuschauer über die Gebühren.
562 Millionen Euro: die Personalkosten galoppieren
Langjährige Redakteure bekamen einmalige Abschiedsgeschenke, neben der üppigen Pension eben auch ein Gemälde aus der WDR-Sammlung. Diese Zeiten sind vorbei: Intendant Buhrow fehlen 28 Millionen Euro. So hoch war der Verlust 2014, im Jahr davor verbrannte die Anstalt sogar unglaubliche 67 Millionen. Im »Herzen der ARD« klafft ein riesiges Finanzloch, wird verwaltet und soll jetzt mit kreativer Kunst wenigstens ein bisschen gestopft werden.
Buhrow hat also noch größere Baustellen als Bürogänge, die ohne Emil Nolde wieder im tristen Grau versinken. Bald gehen gebührenfinanzierte Gemälde nach Londen, werden dort versteigert und die Einkünfte daraus sollen steuerfrei sein. Es bleiben trotzdem Peanuts im Vergleich zu den Personalkosten, die beim WDR sehr aus dem Ruder laufen. Wer dort mit einem Vertrag versorgt war, der ging gerne mal mit mehr als 100 Prozent des letzten Gehalts in den Ruhestand. Inzwischen explodieren die Posten Gehälter und Pensionen: 2012 waren es in der Jahresbilanz 454 Millionen, 2013 dann 535 Millionen und im letzten Jahr bereits 562 Millionen.
Mit den Pensionskassen landen wir im Gebührengrab
Es ist aber nicht nur der WDR, der seine Finanzlöcher stopfen muss: Alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergolden ihren Ex-Mitarbeitern den Ruhestand und die Zahl der glücklichen Pensionäre steigt von Jahr zu Jahr. Deutschland leistet sich neben dem teuersten Rundfunk der Welt also Gebührengräber und das wortwörtlich: Beim NDR, SWR, BR & Co kassieren sie teilweise auch bis zu 100 Prozent des letzten Gehalts – bis zum letzten Atemzug.
2008 mussten die Deutschen noch 7,3 Milliarden für den Rundfunkbeitrag zahlen, heute ist es schon eine Milliarde mehr und die ARD-Anstalten haben für 2017 bereits wieder mehr gefordert. Der Medien-Experte Hans-Peter Siebenhaar glaubt inzwischen nicht mehr daran, dass Anstalten wie der WDR »überhaupt wirtschaftlich geführt werden«: »Über ein halbes Jahrhundert wurden aufkommende Finanzlöcher schlicht und einfach über immer höhere Rundfunkgebühren gestopft.«
Zensurwitz beim Geschlechterkampf:
Hin und her mit dem Ampelmännchen
Wer beim WDR arbeitet, der kann schneller als anderswo den Bezug zur Selbstkritik verlieren. 2014 gewährte Intendant Tom Buhrow der Journalistin Sonia Mikich das Amt der Chefredakteurin. Beide arbeiteten im ARD-Studio Paris zusammen, später war Mikich das Gesicht des Polit-Magazins Monitor. Kurz nach ihrer Nominierung gab sich Mikich beim Interview mit dem Berliner Tagesspiegel noch ganz unbequem und sprühte vor Tatendrang: »Ich mag Bullshit einfach nicht. Ich mag gerne klare Ansagen.« Was sie damals auch nicht mochte: Leute, »die von der eigenen heißen Luft nach oben getragen werden«.
Und heute, kein Jahr später? Eiert sich der WDR mit der Chefredakteurin Mikich so durch und produziert dabei viel heiße Luft. Symptomatisch dafür ist der Zensurwitz um einen Plasberg-Talk zur Geschlechterdebatte. Die Folge heißt: »Nieder mit dem Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn?«, sie wurde am 2. März 2015 ausgestrahlt. Ende August verschwand diese Folge plötzlich aus der Mediathek und landete im Giftschrank – nicht wegen möglicher Schimmelspuren –, nein: sie wurde »von Frauenverbänden und Gleichstellungsbeauftragten als unseriös empfunden«.
»Persönlich wichtig«: Eine politisch-korrekte Farce in drei Akten
Später hieß es dort aber wieder: Kommando zurück. Plasbergs Gender-Talk kam wieder in die Mediathek. Warum? Das begründete der WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn so: »Dass daraus der Vorwurf der Zensur und Selbstzensur abgeleitet würde oder der Eindruck, wir seien vor Lobbygruppen eingeknickt, hatte ich mir nicht vorstellen können.« Die Farce nahm damit aber erst so richtig ihren Lauf. Plasberg musste noch einmal ran, die Sendung musste in Originalbesetzung wiederholt werden. Jetzt wurde das Ganze aber gender-affiner, frauenbewegter und weniger chauvinistisch gedreht, damit endlich der politisch-korrekte Talk in der Mediathek verstaubt.
Es ist eine Farce und kostete Beitragsgelder satt – dass war es Sonia Mikich aber offenbar wert. Die WDR-Chefredakteurin sagte über dieses Hin und Her: Das »Gender-Thema« sei ihr »politisch und persönlich wichtig«. Zeigt Mikich »persönlich« klare Kante, nur weil frauenbewegte Lobbygruppen Druck machten?
Zuschauerkritik: »Das finde ich furchtbar«
Wird Zuschauerkritik, die ihr »persönlich« nicht so wichtig ist, denn anders behandelt? Etwa, wenn beim WDR russische Panzer durch die Ukraine rollen; dumm nur, wenn die gezeigten Panzer durch Georgien rollen; noch viel dümmer wird es, wenn jeder den Fehler erkennt, der zehn Buchstaben in der Google-Suche eintippen kann. Sonia Mikich sorgt sich in solchen Fällen weniger um die grobe Manipulation der Berichterstattung: »Das hält uns von unserer journalistischen Arbeit ab. Es verunsichert meine Korrespondenten, und das finde ich furchtbar.« Die Chefredakteurin des WDR bekommt seit geraumer Zeit stapelweise Programmbeschwerden auf den Tisch – und das von einem Kritiker-Verein, der sich auf Zuschauerkritik spezialisiert hat.
Die »Ständige Publikumskonferenz« dokumentiert jeden noch so kleinen Fehler, verpackt ihn in eine Programmbeschwerde und die Rundfunkräte der Sender müssen sich damit formal beschäftigen. Sie verlangen von den Journalisten eine Stellungnahme. Reagieren die nicht, hat das ein juristisches Nachspiel. »Sich damit zu beschäftigen, ist ein enormer Aufwand«, klagt Mikich.
»Warum Gebühren für ein Produkt,
das kaum noch jemand sieht?«
Zensur ums Ampelmännchen, Zuschauerkritik, üppige Pensionen, das Finanzloch, die riesige Kunstsammlung & Bazon Brock – der WDR ist wirklich eine reiche Anstalt, reich an Problemen. Gerade ist der Sender um weitere fünf Millionen Euro ärmer geworden. In der letzten Woche gab es dort eine neue »Programmoffensive«. Ziel: wieder diese jungen Wilden. Fragestellung: Ist die Suche noch zweifelhaft oder schon verzweifelt? Die jungen Wilden haben jedenfalls nicht mitbekommen, dass sie einmal mehr gesucht werden. Die beiden neuen Sendungen Meuchelbeck und Das Lachen der anderen fielen mit 0,8 Prozent Marktanteil durch.
In Nordrhein-Westfalen schalten auch insgesamt immer weniger Menschen beim WDR ein. Intern rumort es bereits: Ein freier Mitarbeiter brachte die Stimmung in einer geschlossenen Facebook-Gruppe auf den Punkt. Das alles sei »nicht mehr lustig, da […] garantiert irgendwann die KEF mit der Frage kommt: Warum Gebühren für ein Produkt, das kaum noch jemand sieht?« Die KEF ist eine Art politische Finanzaufsicht für die Sender. Der WDR feiert in diesem Jahr bereits seinen sechzigsten Geburtstag. Damit darf sich der Sender aber noch zu den jungen Wilden zählen, denn das Durchschnittsalter seiner Zuschauer liegt schon seit längerem darüber – das der Pensionäre sowieso.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 10. September 2015